Informationsveranstaltung am 19. Juli 2023
Die Pläne nehmen Form an - am Rand des Vitos-Geländes in der Cappeler Straße soll ein VinziDorf mit zwölf kleinen Häusern, die Obdachlosen ein sicheres Zuhause bieten sollen, entstehen. Am 19.07.2023 konnten Anwohner*innen und Interessierte sich mit Vertreter*innen der Stadt und dem Architekten Alexander Hagner zum Betriebskonzept und zu einem ersten Planungskonzept austauschen, es wurden Fragen beantwortet und Anregungen aufgenommen.
„Wir planen einen Ort für Menschen, die lange ohne ein Dach über dem Kopf gelebt haben und erst wieder lernen müssen, ein solches Dach auszuhalten“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Es ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, auf der Straße zu leben, und wir wollen das in Marburg nicht zulassen.“ Das VinziDorf solle so gestaltet werden, dass sich das Leben dort für die Betroffenen richtig anfühlt.
Neben dem baulichen Konzept, mit dem sich die GeWoBau Marburg-Lahn und Architekt Alexander Hagner vom Planungsbüro gaupenraub+/- in Wien befassen, wurde auch das Betriebskonzept von den Vertreter*innen der Stadt Marburg vorgestellt. Einen regulären Alltag zu haben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können sind neben der Existenzsicherung wichtige Motive bei der Ausgestaltung des VinziDorf, das es in Österreich in mehreren Städten gibt. Architekt Alexander Hagner berichtete von der sozialen Bedeutung des baulichen und sozialpädagogischen Konzepts.
„Wir reden von Menschen, die lange in der Isolation waren und sich an eine Wohnsituation ebenso gewöhnen müssen wie an die Nähe zu anderen Menschen“, so Hagner. Die Lage des Marburger VinziDorfes im Grünen mit vielen Bäumen und Büschen komme diesen Menschen entgegen, so dass dieses Umfeld auch erhalten bleiben solle: „Jeder Busch, jeder Grashalm ist wichtig.“ Das Dorf soll so gebaut werden, dass nichts gefällt und möglichst wenig versiegelt werden muss. Nur dort, wo das Gemeinschaftshaus entstehen soll, müssen fünf Bäume gefällt werden. Die zur Verfügung stehenden 8000 Quadratmeter werden nur zum Teil genutzt, so dass der Charakter des Areals erhalten bleibt. Alle erhaltenswerten Bäume sind laut Hagener kartiert und in der Planung berücksichtigt worden. Der vorhandene Teich bleibt ebenfalls bestehen, Fassaden und Flachdächer werden begrünt.
Die Ergebnisse des Treffens sollen in die weitere Planung einfließen. Die Teilnehmer*innen hatten sich auf zwei Arbeitsgruppen verteilt, die sich mit der konkreten Gestaltung des VinziDorf und mit Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Miteinanders beschäftigten. Sie regten unter anderem an, Ängste und Vorurteile durch nachbarschaftliche Begegnungen abzubauen – beispielsweise in den angrenzenden Schrebergärten. Auch Projekte wie gemeinschaftliches Werken oder Gartenarbeit mit den Bewohnern des VinziDorf sei eine Möglichkeit, unterstützt durch ehrenamtliche Helfer*innen. Die bestehende Grillhütte, die in das Gelände integriert werden soll, wurde als möglicher Treffpunkt genannt. Vorgeschlagen wurde auch, das angrenzende Gelände mitzudenken und attraktiver zu gestalten.
Das Betriebskonzept soll nun unter Einbeziehung der Vorschläge und Anregungen fertiggestellt werden, ebenso der Aufstellungsbeschluss für das Bauprojekt. Beides soll im September den politischen Gremien vorgelegt werden. Fertiggestellt sein soll das VinziDorf im Herbst 2025.
Standort für VinziDorf gefunden
Ein sicheres Zuhause für obdachlose Menschen: Die Lichtung am Rand des Vitos-Geländes in der Cappeler Straße soll zukünftig als Standort für das geplante VinziDorf dienen. Ruhig und zugleich zentral gelegen sollen hier bis zu zwölf Menschen ohne ein Zuhause in Sicherheit leben können. Umrahmt von den bereits vorhandenen Bäumen und Büschen und dem kleinen Teich sind Tiny-Häuser und ein Versorgungshaus geplant. Das viele Grün auf dem Gelände und die zentrale Lage waren Hauptfaktoren für die Wahl des Standorts.
Um die zukünftige Nachbarschaft direkt mitzunehmen und einzubinden, hat die Stadt Marburg sie am 17. März 2023 bei einem Grillfest auf dem zukünftigen Standort informiert. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Stadträtin Kirsten Dinnebier, GeWoBau-Geschäftsführer Jürgen Rausch und die städtischen Fachdienste standen an diesem Nachmittag bereit, um Fragen zu beantworten und über die Gedanken und Anmerkungen der Nachbarschaft aufzunehmen. Die Pläne rund um’s VinziDorf werden auch der Hansenhausgemeinde und im Ortsbeirat des angrenzenden Stadtteils Richtsberg näher vorgestellt.
„Menschen in unserer Mitte werden durch Schicksalsschläge obdachlos und sind auf Hilfe angewiesen. Es ist nicht nur unsere Pflicht, ihnen zu helfen – sondern es ist uns eine Herzensangelegenheit, ihnen gute Unterstützung und ein sicheres Zuhause zu bieten“, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Das tut die Stadt bereits mit vielfältigen Angeboten, um im besten Fall bei der Rückkehr in ein eigenes, reguläres Mietverhältnis zu helfen. So gibt es bereits das Probewohnen, bei dem die Stadt zunächst den Mietvertrag für die Wohnungslosen übernimmt und eine pädagogische Betreuung bietet. Des Weiteren gibt 2022 eine neue Unterkunft für wohnungslose Frauen und Familien. „Mit dem VinziDorf soll nun ein weiterer, betreuter Ort entstehen, an dem etwa zwölf obdachlose Männer leben können, wenn es für sie keine andere Perspektive gibt“, ergänzt Stadträtin und Sozialdezernentin Kirsten Dinnebier. Gebaut werden sollen auf dem Vitos-Gelände in der Cappeler Straße kleine Häuser mit grundlegender Möblierung und sanitärer Grundausstattung, wie Jürgen Rausch, Geschäftsführer der GeWoBau erklärt. Die Häuser werden etwa acht Quadratmeter groß und gruppieren sich an das zentrale Gemeinschaftsgebäude, in dem städtische Ansprechpersonen sein werden.
Das Wiener Planungsbüro gaupenraub+/- soll die Ausführungsplanung für den Bau in Marburg übernehmen. Bevor gebaut werden kann, muss allerdings noch ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Gebaut werden könnte dann voraussichtlich ab 2024/25. Angesichts des frühen Planungsstadiums möchte Rausch noch keine genauen Kosten benennen. Allerdings beinhaltet das Konzept des VinziDorf, dass die Wohneinheiten deutlich günstiger werden sollen, als es Geschosswohnungen für den gleichen Zweck wären. „Und das, obwohl es sich um eine deutlich besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnittene Lösung handelt“, so der Gewobau-Geschäftsführer.
Den Standort haben die Stadt und die GeWoBau sorgfältig ausgewählt. Geprüft wurden mehrere Möglichkeiten. „Dieser Standort auf dem Vitos-Gelände erscheint uns als besonders geeignet“, erläutert OB Spies. Gemeinsam mit Betroffenen und mit Einrichtungen wurden in einem Beteiligungsverfahren Standortkriterien entwickelt, die durch die Fläche an einer früheren Grillhütte gut erfüllt werden: Das Grundstück liegt zentral, ist an den ÖPNV angebunden und hat eine gute Infrastruktur in der direkten Umgebung. „Zugleich bietet es den Bewohnern Ruhe und Schutz, weil es etwas abseits auf dem Vitos-Gelände liegt – das ist für sie ein wichtiges Bedürfnis“, so Dinnebier.
„Es ist wichtig, dass wir dieses Projekt gemeinsam angehen und möglichst breit mit der gesamten Stadtgesellschaft tragen“, erklärt das Stadtoberhaupt. Von der Geburt der Idee für ein VinziDorf Marburg an, beteiligen sich viele Menschen aus der Stadtgesellschaft und aus verschiedenen Initiativen – ebenso wie von Obdachlosigkeit betroffene und ehemals betroffene Menschen - an den Planungen, an der Standortsuche und an den Standortkriterien. Sie sind Teil des Engagement-Bündnisses, haben an den Workshops zu Planung teilgenommen, werben für die Idee, wollen sich außerdem am Bau der Häuser, am Anlegen von Gärten oder in der Nachbarschaftsarbeit einbringen und etwa gemeinsame Kochangebote machen.
Weitere Artikel:
Veranstaltung am 19. Juli 2023:
Veranstaltung am 17. März 2023:
https://www.marburg.de/portal/meldungen/vinzidorf-entsteht-in-cappeler-strasse-900010067-23001.html